Donnerstag, 1. März 2012

Auf Jobsuche

In meinen ersten Tagen in Australien wollte ich erstmal nur ankommen, mich ein bisschen orientieren, alles auf mich wirken lassen und genießen. Im Hostel hatte ich Amalia und Elina kennengelernt, zwei Schwedinnen, mit denen ich ein paar lustige Stunden am South Beach und im Park verbrachte. Tomás aus Chile wurde ebenfalls ein guter Backpacker-Freund und mit John aus Irland unterhielt ich mich meist beim Abendessen über die Jobsuche, Jobs die viel Geld einbringen und die vielen Tricks der Backpacker - wer schreibt heutzutage noch einen "ehrlichen" Lebenslauf?! Um an einen (Backpacker-)Job zu kommen, muss man wohl schon ein paar Erfahrungen dazu erfinden.

Ich konnte mich immer noch nicht so recht entscheiden, ob ich in Fremantle bleiben oder nach Margaret River gehen sollte. Vor allem nach dem Segelabend und der Einladung wieder mitzusegeln viel mir die Entscheidung noch schwerer. Mein Kontostand machte nur eins unmissverständlich deutlich: Ein Job musste unbedingt her, zumal Australien wahrlich kein billiges Reiseland ist. Den Enthusiasmus vom Segeln noch im Herzen, machte ich mich am nächsten Tag auf die Jobsuche in Fremantle. Ich wollte mein Glück zunächst hier versuchen um dann ggf. ein paar Tage später gen Süden aufzubrechen. Allerdings machte ich mir keine Illusionen: zweimal so ein Glück hintereinander, wie mit dem spontanen Segelabend, das würde wohl nicht passieren. Als erstes musste ich natürlich meinen Lebenslauf schreiben. Aber tatsächlich: Welchen Barbetreiber, Hotelbesitzer oder Restaurantinhaber interessiert es schon, dass ich in Deutschland Kinderbücher produziert habe? Kann ich einen Drink mixen? Habe ich schon einmal gekellnert (ja, mal kurz als Studentin)? Habe ich das RSA-Zertifikat (RSA = responsible service of alcohol = Voraussetzung, um in Australien Alkohol ausschenken zu dürfen)? Das sind die wichtigeren Fragen. Ich entschied, meinen Lebenslauf eher wie ein Werbeplakat zu gestalten, packte die "unwichtigen" Ausbildungs- und Arbeitsstationen auf die untere Hälfte des A4-Blattes und verteilte ein paar markante Begriffe wie "reliable" und "hardworking" auf die obere Hälfte. Meine Hoffnung war, dass ich mich wenigstens in der Gestaltung ein bisschen von anderen Mitbewerbern unterschied, um vielleicht so im Stapel der hoffnungsvoll abgegebenen und zunächst desinteressiert abgelegten Lebensläufe in Erinnerung zu bleiben.

Mit den ausgedruckten Lebensläufen in der Hand zog ich gegen Mittag los und steuerte als erstes meine Favoriten an: Eine Bäckerei auf der Hauptstraße, ein paar Cafés etwas abseits und eine Bar, die ich mit John besucht hatte. Überall dasselbe, erwartete Resultat: "Leider benötigen wir im Moment niemanden, aber wenn du deinen Lebenslauf dabei hast, dann kannst du ihn hier lassen und wir rufen dich ggf. an". Die Absagen waren immer sehr freundlich, manchmal schien es den Leuten richtig leid zu tun, dass sie nicht weiterhelfen konnten und manch einer hatte sogar ein paar Tipps, wo ich es vielleicht noch versuchen könnte. Ein Abstecher in eine der zahlreichen Job-Agenturen brachte ebenfalls nichts Positives: Erfahrung wurde hier vorausgesetzt (und ich war - und bin es immer noch - zu ehrlich, um hier zu lügen). Am nächsten Tag dasselbe Spiel - losziehen, lächeln auch wenn man die x-te Absage bekommt und nicht an den schrumpfenden Geldbeutel denken. Die anderen Job-Agenturen in Fremantle stellten sich als von der Regierung finanziell unterstützt heraus und dürfen gar keine Backpacker in ihre Kartei aufnehmen. Ein Job schien tatsächlich mehr Glückssache zu sein, zumal zu diesem Zeitpunkt noch alle Studenten frei hatten und erst jetzt, Anfang März, wieder mit der Uni anfangen.

In der Zwischenzeit war es Samstag geworden. Ich saß gerade beim Frühstück und unterhielt mich mit Tomás, als ich eine SMS von Josh bekam: Ob ich Lust auf eine Runde Segeln hätte? Seine Freunde hätten zwar keine Zeit, aber es würde bestimmt lustig werden. KLAR! Um 11 Uhr holte er mich vom Hostel ab und kurze Zeit später setzten wir auch schon die Segel. Der Wind war genau richtig, nicht zu stark und nicht zu schwach und Josh schlug vor, nach Rottnest Island zu segeln. Das Beste: Ich durfte das Schiff die ganze Strecke steuern! Fast eineinhalb Stunden führte ich das Boot, fühlte, wie "sie" auf Wind und Wellen reagierte und unterhielt mich in der Zwischenzeit mit Josh über Gott und die Welt. Es mag nach nichts Großartigem klingen, ich bin ja auch schon ein paar mal in Kroatien mitgesegelt und für erfahrene Segler ist es vermutlich auch schon normal, aber für mich war es etwas ganz Besonderes dieses Schiff selbst zu steuern. Vielleicht, weil wir nur zu zweit auf dem Boot waren und Josh einem mit seiner gelassenen Art viel Vertrauen gibt, vielleicht weil die Bedingungen (Sonne und Wind) einfach klasse waren - ich kann es nicht wirklich sagen. Ich habe es jedenfalls genossen und mich unglaublich frei gefühlt.
Bei Rottnest angekommen, konnten wir leider keinen Ankerplatz finden. Die Uferbedingungen und die Wassertiefe bieten nur einige wenige Ankerplätze für Schiffe wie dieses und alle waren belegt. Da war nicht viel zu machen. Josh hatte wegen der Untiefen das Steuer übernommen und fuhr mit Motor. Wir kehrten also um und entschieden, einfach das Segeln noch ein bisschen zu genießen. Als Josh den Motor ausschaltete passierte es: Der Steuerknüppel für den Motor reagierte nicht mehr. Wir konnten zwar den Motor ohne Probleme ein und ausschalgen und auch den Steuerknüppel nach vorn und hinten bewegen, aber das Schiff reagierte nicht. Im Klartext: Kein Vorwärts- und Rückwärtsgang und somit keine Möglichkeit, dass Schiff im Hafen in die enge "Parklücke" zu manövrieren. Während der Autopilot steuerte und Josh nach dem Problem suchte, stand ich am Steuerknüppel und bewegte ihn vor und zurück damit Josh sehen konnte was, oder was eben nicht, reagierte. Nach kurzer Zeit war klar: Wir konnten das Problem nicht auf See lösen: das Schiff musste in die Werft. Nun wurde es spannend, zumindes für mich ;). Wir mussten also in den Hafen segeln und ohne Motor längs an einem langen Steg anlegen, der eigentlich zum Andocken beim Tanken gedacht ist. Hier zahlte sich Joshs Erfahrung und v.a. seine Ruhe besonders aus. Wir genossen tatsächlich einfach das Segeln bis kurz vor der Hafeneinfahrt, dann holten wir die Genua ein, refften das Hauptsegel und los gings: Josh war am Steuer, ich hing ein paar Fender an die Reeling (äh, wie waren die Knoten doch gleich noch mal?) und befestigte je ein Seil vorn und hinten am Schiff (gleiche Frage nochmal). Das vordere Seile musste ich anschließend zu Joshs Eltern auf dem Steg werfen, nachdem Josh kurz vorm Steg eine rasche 90° Wendung machte um das Schiff längs an den Steg zu bringen ohne ihn zu rammen. Beim ersten Versuch waren wir noch ein Stück zu weit entfernt, beim zweiten dann nah genug, dass ich das Seil werfen konnte. Es landete zum Glück tatsächlich direkt in den Händen von Joshs Vater und nun wurde das Schiff mehr oder weniger direkt an den Steg gezogen. Ein paar weitere Minuten später war alles OK, nur ein Fender hatte sich gelöst und wurde aus dem Wasser gefischt. Naja, es ist immer Raum fürs besser werden ... ;).
Ich fand das Ganze ziemlich spannend, Josh schien ein bisschen nervös, vielleicht aber auch eher "nur" hoch konzentriert und auf meine Frage an Joshs Mutter, ob sie nicht aufgeregt gewesen sei bekam ich die Antwort: "Nö, wir sind in der ganzen Karibik ohne Motor gesegelt und inzwischen ziemlich erfahren darin." Na dann ... :) Seine Eltern verabschiedeten sich und Josh und ich saßen noch eine Weile bei ein paar Bierchen auf dem Boot. Ich erzählte Josh von meiner Jobsuche und von meiner Idee, nach Margaret River zu fahren. Josh meinte plötzlich, er hätte einen Kumpel da unten, der mir vielleicht Arbeit besorgen könnte. Wir gingen noch auf eine Pizze ins Little Creatures und mit wieder etwas Hoffnung auf vielleicht doch bald einen Job war ich am frühen Abend zurück im Hostel.

Am Sonntag Abend entschied ich mich dann endlich, dass ich am Dienstag nach Margaret River fahren würde. Ich hatte doch noch eine günstige Unterkunft ausfindig gemacht, die jedoch etwas abseits gelegen war. Egal, es war billig und hatte vor allem freie Plätze unter der Woche. Am Wochenende war dort alles ausgebucht, dann belagerten die Surfer den Strand. Am Montag rief ich als erstes Josh an, ob er vielleicht bei seinem Kumpel mal nachfragen konnte. Das tat er prompt und kurz darauf kam die Antwort: Im Moment leider grad nichts. Kein Ding, dachte ich und fand es klasse, dass Josh es überhaupt probiert hatte. Ich reservierte darauf hin das Zimmer im Hostel und fuhr nach Perth, um mich über die Zugverbindungen zu informieren. Der Zug war nur wenig günstiger als der Bus, aber dafür würde er morgens abfahren und nicht erst spät Nachmittags. Ich kaufte also das Ticket und freute mich, dass nun alles organisiert war. Ein paar kanadische Backpacker hatten mir im Hostel von einer guten Job-Agentur gleich in der Nähe des Bahnhofes erzählt und da es erst kurz nach Mittag war schaute ich dort gleich noch vorbei. Der Andrang war ziemlich groß, ich wartete fast zwei Stunden und unterhielt mich diesmal mit einem französischen Radreisenden (ach ja ... ;) ). Ich wollte meine Chancen hier unbedingt nutzen da ich ja nicht wusste, ob es in Margaret River tatsächlich mit einem Job klappen würde. Nach zwei Stunden saß ich dann endlich einer etwas kurpulenteren Frau entgegen, die Herz und Mundwerk am richtigen Fleck hat. Sie hatte eine unglaublich sympatische Ausstrahlung und ich vertraute ihr sofort. Sie stellte mir ein paar Fragen, dann musterte sie mich plötzlich kurz und meinte daraufhin: "Ich glaube, ich habe einen Job für Dich." Ich hab vermutlich gegrinst wie ein Honigkuchenpferd :).
Tja, und drei Tage später saß ich im Bus nach Kondinin, ca. 300 km östlich von Perth. Nix mit mit Nord oder Süd, Meer, Strand oder Wellen. Im sogenannten südlichen Weizengürtel wurde dringend ein Barmädel für einen Countrypub gesucht. Mitten im Nirgendwo, in einer Stadt mit einem Krankenhaus aber weniger Einwohnern als mein Heimatdorf Kyhna, umgeben von Schaffarmen und Weizenfeldern zapfe ich jetzt Bier, mach sauber, zähle Geld und jage unsere Hausmaus. Der australische Dialekt bereitet mir immer noch Probleme, aber die Kerls und Mädels hier sind das scheints gewohnt und nehmen es mit Gelassenheit und Humor. Was hier so los ist und wie mein neuer Alltag so aussieht, gibts im nächsten Beitrag :). Und Bilder stell ich morgen gleich noch rein, jetzt muss ich erstmal fix in den Pub zur Übertragung des Rugby-Spiels, schließlich hab ich den Jungs versprochen, dass ich mir das mal mit anschaue ...


Die Hauptstraße in Freemantle. In dem Gebäude auf der anderen Straßenseite ist von Freitag bis Sonntag Markt mit guten Sonderangeboten am Sonntag Abend, bevor die Tore wieder für ein paar Tage schließen.

Fremantles' Main Street. From Friday to Sonday there is a market in the opposite building with great special offers on sonday evening, before the market closes its' doors for another 5 days.


Der Park liegt zwischen der Stadt und dem Meer und beheimatet ein paar große, wunderschöne Nadelbäume.

This park is situated between the town and the sea and is home of some big, beautiful needle trees.


Das Brauhaus "Little Creatures" mit angeschlossenem Biergarten.

The brewery "Little Creatures" also has a beergarden.


Am Hafen.

At the harbour.


Bon Scott, der Sänger von AC/DC, fand seine letzte Ruhestätte in Fremantle. Seine Statue steht direkt vor dem Fischereihafen.

The lead singer of AC/DC, Bon Scott, is interred at Frementle Cemetery. His statue is to be found just in front of the fishing boat harbour.


Eine der vielen "Futterbuden" am Hafen.

One of many fast food restaurants at the harbour.


Sonnenuntergang an meinem morgendlichen Badestrand.

Sunset over the beach where I used to swim at every morning (in the sea, of course, not the beach ... ;) ).


Unser Hauskatze im Pirates Backpackers.

The house cat at Pirates Backpackers.


Amalia und Elina am South Beach.

Amalia and Elina at South Beach.


Spaß im Wasser.

Fun in the water.


Schatten!!!

Shade!!!


Erinnert mich an den Offsetdruck, nur hier ist es andersrum: erst Öl, dann Wasser ... ;)

In offset printing the differentiation of printing and non printing parts is effected by preparing the printing plate in a way that oil (= colour) and water is either accepted or rejected. The plate is getting in contact first with a water based solution. All parts that should not print are accepting the water and later rejecting the oil based colours. The parts that actually should print are not acception the water and so the colours are sticking there. This image reminds me of that principle ;), only here it's the other way round: first oil, than water ... :)

1 Kommentar:

  1. Erster :-)

    Tolle Bilder! bin gejeistert :-D

    Viel Spass im Kulturellen Epizentrum Kondinin...

    Cheers, Nico

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